Stellen Sie sich vor: Der Moment des letzten Abendmahls, eine heilige und intime Zusammenkunft mit Jesus, kurz bevor sein Leiden und seine Opferbereitschaft ihren Höhepunkt erreichen. Und inmitten dieser bedeutsamen Szene entbrennt ein Streit unter den engsten Vertrauten Jesu – den Jüngern. Ihr Thema? Wer von ihnen als der Größte gelten sollte (Lukas 22,24).
Diese Episode, so ehrlich und menschlich in ihrer Darstellung, wirft ein Schlaglicht auf eine tief verwurzelte menschliche Neigung: das Streben nach Anerkennung, Macht und Status. Es ist ein Verlangen, das sich durch alle Zeiten und Kulturen zieht, und das uns auch heute noch in unseren Beziehungen, in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft begegnet.
Doch Jesus, dessen Leben und Lehre eine radikale Umkehrung der weltlichen Werte darstellten, nutzte diesen Moment der menschlichen Schwäche, um eine zeitlose und revolutionäre Wahrheit zu verkünden: **Wahre Größe liegt nicht im Herrschen, sondern im Dienen.
Die Entlarvung weltlicher Machtstrukturen:
Jesus konfrontiert die Denkweise seiner Jünger direkt mit den Gepflogenheiten der Welt: *“Die Könige der Heiden herrschen über sie, und die Gewalt über sie haben, lassen sich Wohltäter nennen. Ihr aber nicht so!“* (Lukas 22,25-26a). Er entlarvt die oft heuchlerische Fassade weltlicher Macht, bei der Herrscher ihre Autorität gerne mit wohlklingenden Titeln bemänteln.
Die Umkehrung der Werte: Dienen als Weg zur Größe:
Dann folgt Jesu klare und unmissverständliche Anweisung: „Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Vorsteher wie der Dienende.“ (Lukas 22,26b). Diese Worte stellen die gängige Vorstellung von Hierarchie und Erfolg auf den Kopf. In Jesu Reich verkehren sich die Maßstäbe: Wer führen will, muss dienen; wer groß sein will, muss sich klein machen.
Jesu lebendiges Beispiel: Der dienende Herr:
Um seine Lehre zu untermauern, verweist Jesus auf sein eigenes Verhalten: „Denn wer ist größer: der, der zu Tisch liegt, oder der, der dient? Ist’s nicht der, der zu Tisch liegt? Ich aber bin mitten unter euch wie einer, der dient.“ (Lukas 22,27). Der Herr aller Herren, der Sohn Gottes, stellt sich selbst als derjenige dar, der dient. Sein gesamtes Leben war ein Akt des Dienens, der seinen Höhepunkt in der demütigenden Fußwaschung und dem letztendlichen Opfer am Kreuz fand.
Diese Fußwaschung, die Johannes in seinem Evangelium ausführlich beschreibt (Johannes 13,1-17), ist ein tiefgreifendes Symbol für Jesu Haltung. Er, der Meister, kniet vor seinen Jüngern nieder und verrichtet die Arbeit eines Dieners – eine Tätigkeit, die in der damaligen Gesellschaft den niedrigsten Sklaven vorbehalten war. Diese Demut ist nicht gespielt oder oberflächlich; sie entspringt der tiefsten Quelle seiner Liebe – der AGAPE, der selbstlosen, aufopfernden Liebe Gottes, die darauf abzielt, unsere Herzen durch Dienen und Hingabe zu gewinnen, nicht durch Zwang oder Machtdemonstration.
Die Verheißung des Reiches und die Berufung zum Dienen:
Interessanterweise spricht Jesus inmitten dieser Belehrung über das Dienen auch von der Verordnung des Reiches für seine Jünger: „Und ich verordne euch das Reich, wie es mein Vater mir verordnet hat, damit ihr an meinem Tisch in meinem Reich essen und trinken und auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten sollt.“ (Lukas 22,29-30).
Diese Verheißung einer zukünftigen Herrschaft steht jedoch nicht im Widerspruch zu seiner Lehre des Dienens. Vielmehr deutet sie darauf hin, dass selbst in ihrer zukünftigen Autorität und Verantwortung der Geist des Dienens prägend sein soll. Ihr „Richten“ der zwölf Stämme Israels wird nicht im Sinne weltlicher Tyrannei, sondern als geistliche Führung und verantwortungsvolle Sorge für Gottes Volk zu verstehen sein.
Die bleibende Herausforderung für uns heute:
Die Worte Jesu in Lukas 22 sind keine bloße historische Anekdote. Sie sind eine lebendige und dringende Herausforderung für uns heute. In einer Welt, die oft von Egoismus, Wettbewerb und dem Streben nach persönlichem Vorteil geprägt ist, steht Jesu radikale Lehre des Dienens quer.
Wie definieren wir Größe? Messen wir unseren Erfolg an unserem Einfluss, unserem Reichtum oder unserer Position in der Hierarchie? Oder sind wir bereit, Größe in der Bereitschaft zu sehen, uns für andere einzusetzen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und ihnen zu dienen?
Welche Rolle spielt Dienen in unseren Beziehungen?
Sind wir bereit, uns in unseren Familien, Freundschaften und Gemeinschaften zu erniedrigen und die Bedürfnisse anderer über unsere eigenen zu stellen?
Wie prägt das Prinzip des Dienens unsere Arbeitswelt und unsere Gesellschaft?
Könnten Unternehmen, politische Institutionen und soziale Organisationen transformative Kraft entfalten, wenn das Dienen am Gemeinwohl im Vordergrund stünde?
Die revolutionäre Kraft der Demut:
Jesu Beispiel zeigt uns, dass wahre Autorität und nachhaltiger Einfluss nicht durch Zwang oder Macht, sondern durch Liebe und selbstlosen Dienst entstehen. Menschen werden eher durch Demut und die Bereitschaft, sich für andere einzusetzen, gewonnen als durch arrogante Machtdemonstrationen.
Die Einladung Jesu ist klar: Lasst uns die revolutionäre Kraft der Demut entdecken. Lasst uns unsere Herzen öffnen für die Liebe Gottes, die sich in der Erniedrigung seines Sohnes offenbart hat. Lasst uns lernen, dass wahre Größe darin besteht, wie Jesus zu sein – einer, der dient.
Fragen zur Selbstreflexion:
- In welchen Bereichen meines Lebens strebe ich nach Herrschaft statt nach Dienen?
- Wo kann ich konkret Schritte unternehmen, um anderen selbstloser zu dienen?
- Wie kann ich die „Liebe AGAPE“ in meinem Alltag sichtbarer werden lassen?
Die Worte Jesu in Lukas 22 sind ein Aufruf zu einer tiefgreifenden Transformation unseres Denkens und Handelns. Sie laden uns ein, eine neue Definition von Größe anzunehmen – eine, die in der Bereitschaft zum Dienen und in der selbstlosen Liebe ihren Ausdruck findet. Lassen wir uns von Jesu Beispiel inspirieren und zu Menschen werden, die durch ihr Dienen die Welt ein Stück weit heller machen.